Dezember 2008

Rotavirus-Impfung schützt Babys vor schwerem Durchfall

Stiftung Kindergesundheit informiert über eine besonders häufige gesundheitliche Belastung von Säuglingen und ihrer Familien

Neben Schnupfen und Husten ist ein Durchfall der weitaus häufigste Grund, mit einem Baby oder Kleinkind zum Arzt zu gehen. Laut Statistik erkrankt die Hälfte aller Kinder in den ersten zweieinhalb Jahren mindestens einmal an einem akuten Durchfall, drei Episoden im Jahr sind keine Seltenheit. Zu den wichtigsten Durchfallursachen gehören die so genannten Rotaviren. Gegen diese Erreger sind mittlerweile zwei gut verträgliche Impfstoffe zugelassen. Die Kosten der Impfung werden inzwischen von immer mehr Krankenkassen erstattet, konstatiert erfreut die in München beheimatete Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme.

 

Wenn ihr Kind plötzlich unter Durchfall leidet, vermuten die manche Eltern zuallererst, dass eine Nahrungsunverträglichkeit daran Schuld trägt. „Nur bei wenigen Kindern stimmt das auch“, sagt Kinder- und Jugendarzt Professor Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit: „Doch die Hauptursache von Durchfällen sind Infektionen. Der häufigste Grund im Baby- und Kleinkindalter sind Rotaviren, die besonders in den Herbst- und Wintermonaten ihre Opfer suchen“.

 

Die Radspeichen ähnlichen winzigen Erreger (Rota = Rad) sind in Europa jedes Jahr für rund 3,6 Millionen Durchfallerkrankungen bei Kindern verantwortlich. Etwa 87 000 Kinder müssen deshalb ins Krankenhaus. Mit weltweit 400.000 bis 600.000 Todesfällen sind Rotaviren bei Kindern unter fünf Jahren die dritthäufigste Todesursache in Entwicklungsländern.

In Deutschland ist die Sterblichkeit zum Glück gering, die Erkrankungshäufigkeit aber ebenfalls beträchtlich. In den ersten 39 Wochen des Jahres 2008 wurden dem Robert-Koch-Institut Berlin 69.979 Krankheitsfälle gemeldet, 20.773 mehr als im Jahr zuvor. Diese Zahlen stellen jedoch nur die Spitze des Eisbergs dar, betont die Stiftung Kindergesundheit.

 

Die wirkliche Anzahl der Infektionen liegt noch wesentlich höher, denn die Rotaviren werden nur bei einem kleinen Teil der erkrankten Kindern nachgewiesen und gemeldet.

 

Meistens werden die Durchfallerreger durch die stuhlverschmierten Hände übertragen, aber auch durch Gemeinschaftshandtücher (z. B. auch in Kindergärten). Rotaviren gelten als extrem ansteckend: In einem Milliliter Kinderstuhl können sich 100 000 000 000 Viren befinden – zehn davon reichen schon zur Infektion! Möglich ist die Ansteckung auch – wie bei einer Erkältung – durch Husten, Niesen und Speichel, oder über Gegenstände wie Kinderspielzeug. Die Infektion tritt vor allem im Winter, insbesondere in den Monaten Februar und März auf. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen.

 

 

Austrocknen – ein großes Risiko für Babys

Nachdem sie sich in den Darmzellen festgesetzt haben, beginnen die Viren mit ihrem zerstörerischen Werk: Sie lähmen die Arbeit der empfindlichen Darmschleimhaut. Sie kann immer weniger Nahrung und Wasser aufnehmen. Das Kind leidet unter einem wässrigen Durchfall, der meist auch von Übelkeit und Erbrechen, Kopfschmerzen und Fieber begleitet wird, häufig verbunden mit heftigen Bauchschmerzen. Mehr als 20 Brech- oder Durchfallepisoden pro Tag sind möglich. Mit dem wässrigen Stuhl werden auch lebenswichtige Mineralien (so genannte Elektrolyte) aus dem Körper geschwemmt, was im extremen Fall zu Organversagen führen kann. Der Durchfall dauert zwei bis sechs Tage.

 

Die Schwere der Erkrankung reicht vom harmlosen Verlauf mit nur milden Beschwerden bis hin zu lebensbedrohlichen Situationen. Das ist der Fall, wenn der Körper aufgrund des hohen Wasser- und Salzverlustes durch Erbrechen und Durchfälle regelrecht austrocknet. Das Tückische dabei: Auch eine vermeintlich leichte Rotavirus-Infektion kann über Nacht plötzlich lebensbedrohliche Ausmaße annehmen und eine Einlieferung des Kindes in ein Krankenhaus erforderlich machen, um dort die verlorene Flüssigkeit am Tropf wieder auszugleichen.

 

Eine Ansteckung mit Rotaviren ist in der frühen Kindheit nahezu unvermeidbar. Die Münchner Kinder- und Jugendärztin Dr. Ursel Lindlbauer-Eisenach, Mitglied der Ständigen Impfkommission STIKO rechnet vor: „96 Prozent der Kinder erkranken bis zum Ende des zweiten Lebensjahres einmal an einer Rotavirus-Infektion, 69 Prozent machen zwei Infektionen in diesem Zeitraum durch, über 10 Prozent der Kinder bis zu fünf Infektionen, wobei die Erstinfektion am schwersten verläuft“. Die höchste Erkrankungsrate liegt bei Kindern unter zwei Jahren, in dieser Altersgruppe besteht auch das höchste Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf.

 

 

Zwei neue Schluckimpfungen

Früher bestand die einzige Behandlung einer Infektion mit Rotaviren aus dem raschen Ersatz der durch den Durchfall verlorenen Flüssigkeit und Mineralsalze. Inzwischen stehen jedoch zwei Impfstoffe zur Verfügung, die beide als hocheffektiv und sicher gelten. Sie können die Anzahl der durch Rotaviren bedingten Durchfallerkrankungen um bis zu 98 Prozent reduzieren und die Zahl der Klinikaufenthalte um bis zu 90 Prozent verringern.

 

Diese Impfstoffe sind in mehr als 100 Länder der Welt zugelassen, und viele Millionen Impfdosen wurden verabreicht. Zusätzliche Piekse zu den üblichen Standardimpfungen sind übrigens für das Baby nicht notwendig: Beide Impfstoffe werden, wie früher die Impfung gegen Kinderlähmung, in zwei oder drei Dosen als Schluckimpfung verabreicht. Eine gleichzeitige Verabreichung der Schluckimpfung mit der üblichen Mehrfachimpfung ist möglich.

 

„Von der Impfung profitiert die ganze Familie“, konstatiert Professor Dr. Berthold Koletzko. „Ein unter Durchfall leidendes Baby oder Kleinkind benötigt nämlich eine intensive Pflege und Betreuung. Die Eltern fühlen sich oft hilflos und überfordert und haben Angst um ihr krankes Kind. Häufig erfasst die Virusinfektion nach und nach auch die Geschwister, die Eltern und manchmal sogar die als Nothelfer einspringenden Großeltern“.

 

Nach Ansicht der großen europäischen Fachgesellschaften ESPID und ESPHGAN sind beide Impfstoffe nach allen Regeln der evidenzbasierten Medizin als wirksam und sicher anzusehen. Deshalb sprechen sich die Vertreter beider kinderärztlicher Gesellschaften für eine allgemeine Impfung aller Babys gegen Rotaviren aus.

 

In Deutschland gehört die Rotavirus-Impfung bisher noch nicht zu den Standardleistungen der Krankenkassen. Die Sächsische Impfkommission empfiehlt seit dem 1. Januar 2008 offiziell die Impfung für alle Säuglinge in Sachsen. Doch auch in den anderen Bundesländern übernehmen immer mehr gesetzliche Krankenkassen die Kosten entweder vollständig oder zum Teil. Es empfiehlt sich deshalb sowohl für gesetzlich als auch für privat Versicherte, sich vor der Impfung bei ihrer Versicherung über die Kostenübernahme zu informieren.

 

Professor Dr. Berthold Koletzko: „Die Stiftung Kindergesundheit vertritt mit Überzeugung die Meinung, dass Eltern jede Möglichkeit nutzen sollten, eine Krankheit, das auch ihrem Kind drohen kann, durch eine gut wirksame Impfung zu verhindern“.