Die neun Monate sind endlich vorbei, die Geburt ist glücklich überstanden, und dann dieses: „Mit dem Kind stimmt was nicht“, heißt die erste Andeutung der Hebamme oder des Geburtshelfers. Die Überbringer der schlechten Nachricht tun sich meist schwer mit der Wahrheit, drucksen herum und reden sich auf Untersuchungen heraus, die noch abgewartet werden müssen.

 

Doch irgendwann muss es heraus: „Ihr Kind ist leider behindert. Es leidet unter dem Down-Syndrom“. Schuld an der gefürchteten genetischen Störung ist das Chromosom mit der Nummer 21, das statt doppelt, wie sonst, bei diesen Kindern dreifach vorhanden ist. Die alternative Fachbezeichnung der Störung - Trisomie 21 - stand Pate für das Datum, an dem auch in diesem Jahr der Welttag des Down-Syndroms stattfindet: Es ist immer der 21. Tag des dritten Monats.

„Dieser 21. März ist verständlicherweise kein Anlass zum Feiern“, unterstreicht Professor Dr. Berthold Koletzko, Kinder- und Jugendarzt an der Universitätskinderklinik München und Vorsitzender der „Stiftung Kindergesundheit“: „Alle Kinder, die mit einem Down-Syndrom geboren werden, sind geistig behindert, auch wenn der Grad ihrer Beeinträchtigung ganz unterschiedlich sein kann und sie vielfältige Talente und Fähigkeiten haben. Der Welt-Down-Syndrom-Tag ist aber ein wichtiger Anlass zur Information über diese Menschen mit besonderen Bedürfnissen und der Notwendigkeit spezifischer Unterstützung und Förderung. Denn leider gibt es immer wieder Vorurteile und gesellschaftliche Ausgrenzung, die es abzubauen gilt“.

Zu den erklärten Zielen der von Professor Koletzko geleiteten Stiftung Kindergesundheit gehört - neben der Vorbeugung gegen Erkrankungen von Kindern - die Verbreitung und Umsetzung vorhandener wissenschaftlichen Erkenntnisse durch Aufklärung und Information der Öffentlichkeit. „Genaue Kenntnisse über die Krankheit sind eine wichtige Voraussetzung dafür, die richtige Hilfe so früh wie möglich einzuleiten“, so der Münchner Kinder- und Jugendarzt.

 

 

Menschen mit Down-Syndrom – schon immer unter uns

Das Erscheinungsbild des Down-Syndroms ist seit der Antike bekannt und kommt bei allen Völkern der Welt vor. Die Ursache des Syndroms, die überzählige Chromosomenkonfiguration, kennt die Medizin bereits seit 1959. Professor Koletzko: „Leider ist es bis heute nicht möglich, den biologischen Prozess bei der Entstehung der Störung zu beeinflussen. Wir sollten aber alles daransetzen, die trotz der Störung vorhandenen, mannigfaltigen Fähigkeiten von Menschen mit einem Down-Syndrom zu fördern und ihre Chancen in ihrem sozialen Umfeld und in der Gesellschaft zu verwirklichen“.

Das überzählige Chromosom stammt in über 90 Prozent der Fälle von der Mutter. Die Störung entsteht weltweit in etwa gleicher Häufigkeit, bei einer von etwa 700 Geburten. Die Mütter können jedes Alter haben, es ist jedoch statistisch eindeutig, dass jenseits des 35. Lebensjahres das Risiko deutlich ansteigt. Bei einem mütterlichen Alter von 30 Jahren beträgt die Häufigkeit eins zu 1163 Geburten, mit 40 Jahren liegt sie dagegen bei eins zu 95 Geburten.

In den Selbsthilfegruppen der betroffenen Familien ist gelegentlich von „Downies“ die Rede. „Der liebevolle Ausdruck ändert aber nichts an der Tatsache, dass ein Kind mit Trisomie 21 auf einen Schlag das ganze Leben seiner Familie verändert“, sagt Professor Koletzko. „Mehr als mit jeder anderen Behinderung verbindet jeder von uns damit sofort konkrete Bilder von Menschen mit einem Down-Syndrom. Selbst betroffene Eltern haben zuerst manchmal große Probleme, ihr Kind zu akzeptieren, und sie machen sich große Sorgen darüber, wie ihre Umgebung, die Verwandten, Freunde und Andere auf ihr Kind reagieren werden“.

Eine der ältesten Darstellungen eines Menschen mit Down-Syndrom entstand bereits um 1500 vor Christus in der Inka-Zeit. Die meisten Menschen mit einem Down-Syndrom haben vom frühen Säuglingsalter an charakteristische Gesichtszüge. Es sind: eine schräge Lidachse, auffallend weiter Augenabstand (Hypertelorismus), eine Lidfalte am inneren Augenwinkel (Epicanthus), kurze Nasenwurzel, ein meist offener Mund mit vorstehender Zunge, kleine Ohren, ein Scheitelwerts ausladender, hinten abgeflachter Kopf, kurzer Nacken, breite, relativ kurze Hände, eine Vierfingerfurche (quer durchlaufende Handlinie) und ein vermehrter Fettansatz am Rumpf.

 

 

Nach dem ersten Schock wächst die Liebe

Die Geburt eines behinderten Kindes stürzt die Eltern oft in Verzweiflung und schwere seelische Not. Zur Überwindung dieser Krisensituation brauchen sie Unterstützung, Verständnis und detaillierte Informationen über die Chancen ihres Kindes und über die heutigen Möglichkeiten der Hilfen. So gelingt es ihnen nach einer Phase des Trauerns, ihr Kind so zu akzeptieren wie es ist: problematisch, aber liebenswert.

Leider muss man bei einem Down-Kind häufig mit einer Vielzahl von zusätzlichen Fehlbildungen  oder Erkrankungen rechnen: Bei den meisten Menschen mit einem Down-Syndrom besteht eine besonders im Säuglingsalter auffällige Muskelschwäche (Hypotonie). In rund 30 Prozent der Fälle liegt auch ein Herzfehler vor. Die frühzeitige Behandlung dieses Herzfehlers ist für die Lebensprognose der Kinder oft entscheidend.

Viele Kinder haben angeborene Fehlbildungen im Bereich des Magen-Darm-Traktes, auch Sehstörungen kommen häufig vor. Fehlfunktionen der Schilddrüse und Störungen des Immunsystems kommen ebenfalls häufiger vor. Häufig findet man auch Hörstörungen. Neben der Betreuung beim Kinder- und Jugendarzt müssen deshalb auch andere Fachärzte in ein ganzheitliches Behandlungskonzept integriert werden.

Die Entwicklung von Kindern mit Down-Syndrom verläuft verzögert. Die Meilensteine der Entwicklung im Baby- und Kleinkindalter werden oft erst um drei bis sechs Monate verspätet erreicht. Die Sprachentwicklung ist meist ebenfalls deutlich verlangsamt.

 

 

Viele Hilfen sind nötig

Bei der Behandlung von Kindern mit Down-Syndrom werden je nach Ausprägung unterschiedliche, oft umfangreiche medizinische Maßnahmen nötig: Zum Beispiel Krankengymnastik bei Muskelschwäche, eine orthopädische Betreuung bei Hüftluxationen oder anderen Gelenkinstabilitäten, Versorgung der Sehfehler mit Brillen, intensive Zahnpflege, Hörhilfen, Schutz vor Infektanfälligkeit, oft auch eine so genannte orofaziale Regulationstherapie nach Castillo-Morales (bei vorstehender Zunge und fehlendem Mundschluss). Bei Herzfehlern und Magen-Darm-Fehlbildungen sind oft Operationen nötig, bei Störungen der Schilddrüsenfunktion eine Behandlung mit Schilddrüsenhormonen.

Genauso wichtig sind frühzeitig einsetzende Förderungsprogramme für die mentale Entwicklung der Kinder. Dazu gehören logopädische und ergotherapeutische Behandlungsverfahren.

Jedes Kind ist einzigartig

In der intellektuellen Leistungsfähigkeit gibt es zwischen den einzelnen Menschen mit Down-Syndrom enorme Unterschiede:  Sie sind als Individuum genauso einmalig wie normal entwickelte Kinder. Manche von ihnen erbringen intellektuelle Leistungen im unteren Normbereich, während andere schwer geistig behindert sind.

„Die große Variabilität unter den Down-Kindern ist für die Eltern eine häufige Quelle von immer wieder auftretenden Verunsicherungen“, weiß Professor Koletzko zu berichten. „Es wird immer wieder über Kinder berichtet, die einen besonders günstigen Entwicklungsverlauf aufweisen. Der Erfolg wird dann auf ein bestimmtes Therapiekonzept zurückgeführt. Eltern, deren Kind keine derartig positive Entwicklung aufweist, greifen dann oft mit unrealistischen Hoffnungen nach der neuen Therapie. Andere machen sich Vorwürfe, dass sie ihr Kind nicht schon längst der angepriesenen Therapie zugeführt haben“.

Über enttäuschende Therapieerfolge und über Fälle von schweren und belastenden Störungen der geistigen Entwicklung einzelner Down-Kinder wird deutlich seltener berichtet. Um zu einer realistischen Einschätzung zu kommen, haben sich nach den Erfahrungen der Kinder- und Jugendärzte die Kontakte zu den Selbsthilfegruppen (siehe Kasten) als besonders wichtige Anlaufstellen zur Information herausgestellt.

 

 

Meistens lieb - und manchmal launisch

Die meisten Kinder mit einem Down-Syndrom sind in ihren Wesenszügen sehr anhänglich, liebevoll und freundlich. Sie sind häufig sehr charmant, ehrlich und oft von einer entwaffnenden Offenheit. Sie haben ein großes Bedürfnis nach Zuwendung und Geborgenheit. Allerdings können sie auch launisch und widerspenstig sein - wie andere Kinder auch.

Wird es irgendwann keine Menschen mit einem Down-Syndrom mehr geben?  Die heutigen Möglichkeiten der vorgeburtlichen Diagnostik legen zunächst diesen Gedanken nahe. Bei Schwangeren ab 35 Jahren werden die Kosten für eine Untersuchung des Fruchtwassers (Amniozentese) und des Mutterkuchens (Chorionzottenbiopsie) sogar von den Kassen übernommen. Damit kann das Down-Syndrom mit großer Sicherheit erkannt werden. Weniger als 10 Prozent aller Mütter entschließen sich nach der Diagnose "Down-Syndrom", das Kind dennoch auszutragen. Allerdings ist das Syndrom keineswegs auf die Kinder älterer Mütter beschränkt. Und weil die Kinder vergleichsweise junger Mütter seltener pränatal erfasst werden, werden auch in Zukunft Menschen mit Down-Syndrom zu unseren Mitbürgern zählen.

In ihrer aktuellen Stellungnahme zum Welt-Tag des Down-Syndroms zieht die „Stiftung Kindergesundheit“ ein insgesamt optimistisches Resümee:

  • Noch vor 30 Jahren starben 75 Prozent der Down-Patienten vor der Pubertät und 90 Prozent vor dem Erreichen des 25. Lebensjahres. In der Zwischenzeit hat sich die  mittlere Lebenserwartung dank frühzeitiger Behandlung der begleitenden Krankheiten und Fehlbildungen deutlich nach oben verschoben. Menschen mit Down-Syndrom können heute ein Alter von 60 Jahren und mehr erreichen.
  • Die meisten Kinder mit Down-Syndrom lernen lesen und schreiben, etwa 30 Prozent von ihnen erreichen einen Schulabschluss. Viele von ihnen sind bei individueller Förderung sogar in der Lage, ein weitgehend selbständiges Leben zu führen. Von entscheidender Bedeutung dafür sind jedoch eine gute und liebevolle Betreuung und frühzeitig einsetzende Förderungsprogramme, damit die betroffenen Kinder ihre individuellen Möglichkeiten voll ausschöpfen können.

Professor Koletzko: „Die Betreuung eines Kindes mit Down-Syndrom muss umfassend sein und darf sich nicht nur auf das körperliche Wohlbefinden beschränken. Wie alle Kinder haben auch Down-Kinder ein Recht darauf, sich ihren Anlagen gemäß zu entwickeln. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Zuwendung durch ihre Eltern und die Unterstützung betroffener Familien durch ihr soziales Umfeld, durch die Politik und durch die Gesellschaft - kurzum: durch uns alle. Bei aller professioneller Hilfe sind die Eltern die wichtigsten Personen im Leben ihres Kindes. Es braucht ihre Liebe, ihre Fürsorge und ihr Verständnis wie jedes andere Kind auch“.

 

 

Hier gibt es weiteren Rat und Hilfe

 

Arbeitskreis Down-Syndrom

Postanschrift:

Gadderbaumer Straße 28

33602 Bielefeld

Telefon: 0521 / 44 29 98

Fax: 0521 / 94 29 04

E-Mail: ak@down-syndrom.org

Internet: www.down-syndrom.org

 

 

Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung

Bundesgeschäftsstelle

Raiffeisenstraße 18

35043 Marburg

Telefon: 06421 / 4 91-0

Fax: 06421 / 4 91-1 67

E-Mail: bundesvereinigung@lebenshilfe.de

Internet: www.lebenshilfe.de

 

 

Weitere Links:

www.down-sportlerfestival.de/selbsthilfegruppen/

www.kindernetzwerk.de

www.down-syndrom.de

 

Quelle: Newsletter der Stiftung Kindergesundheit, März 2007