In der zweiten Hälfte der Schwangerschaft kann es auch bei Nicht-Diabetikerinnen zu einer meist leichteren, weniger gravierenden Form der Zuckerkrankheit kommen, die als Gestationsdiabetes (GDM) bezeichnet wird. Dieser Schwangerschaftsdiabetes tritt wahrscheinlich bei 5 bis 10 Prozent aller Schwangerschaften auf und gehört damit zu den häufigsten Komplikationen. Zum einen führen die verschiedenen Schwangerschaftshormone (z.B. Östrogene, humanes Plazentalaktogen) zu einer Erhöhung des Blutzuckerspiegels, zum andern spielt auch die in der Schwangerschaft meist nicht optimale Ernährung (wie Lust auf Süßes) eine Rolle.

 

Ein etwas erhöhtes Risiko haben Frauen, die bereits älter sind, in deren Verwandtschaft es Fälle von Diabetes mellitus gibt, sowie Frauen, die Bluthochdruck, eine Fettstoffwechselstörung oder Übergewicht haben und mehr als 80 bis 90 kg wiegen (Body Mass Index von mehr als 27).

Ein weiterer Grund für eine besonders intensive Betreuung besteht, wenn sich schon in einer vorhergegangenen Schwangerschaft ein Gestationsdiabetes entwickelte oder ein besonders schweres Kind (über 4000 g) geboren wurde. Auch Frauen, die schon mehrere Fehlgeburten hatten, scheinen ein höheres Risiko für einen Schwangerschaftsdiabetes zu haben.

 

Ein leichter Schwangerschaftsdiabetes verursacht keine Symptome oder Beschwerden und hat bei entsprechender Therapie normalerweise keine Folgen für die werdende Mutter und ihr Kind. Wird er jedoch übersehen und nicht genau kontrolliert und behandelt, kann er je nach Schweregrad zu  Problemen führen. Schwangere mit GDM neigen zu Harnwegsinfektionen und Scheidenentzündungen, v.a. mit Pilzen, und entwickeln etwas häufiger einen Bluthochdruck und eine Präeklampsie.

 

Ein nicht gut eingestellter Schwangerschaftsdiabetes bedeutet eine Gefahr für die Gesundheit des Kindes. Es kann schlimmstenfalls zu angeborenen Fehlbildungen, Komplikationen bei der Geburt und Anpassungsstörungen nach der Geburt kommen.

 

Für die Entbindung sollten sich werdende Mütter mit GDM deshalb ein Spital mit angeschlossener Kinderklinik aussuchen. Ein gut eingestellter Schwangerschaftsdiabetes ist jedoch kein Grund für eine Geburtseinleitung oder einen Kaiserschnitt.

 

Bei Ihrer ersten Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung wird deshalb der Nüchternblutzuckerwert bestimmt und auch kontrolliert, ob Zucker (Glucose) im Urin vorhanden ist. Die Urinuntersuchung kann bei jeder weiteren Vorsorgeuntersuchung wiederholt werden, allerdings ist dieser Test nach neueren Erkenntnissen nicht allzu aussagekräftig. Bei auffälligen Werten wird der Verdacht dann durch weitere Tests abgeklärt. Auch wenn die Ultraschalluntersuchung besonders viel Fruchtwasser oder ein sehr großes Kind zeigt, muss genauer untersucht werden.

 

Empfehlenswert ist es, bei allen Schwangeren zwischen der 24. bis 28. SSW einen Zuckerbelastungstest (oraler Glukose-Toleranztest oGTT) durchzuführen. Dazu muss die Schwangere, die nicht nüchtern zu sein braucht, eine Zuckerlösung aus 200 ml Wasser mit 50 g Glukose trinken. Nach einer Stunde wird der Blutzuckerwert bestimmt. Ein normaler Wert liegt unter 7,0 mmol/l (126 mg/dl). Ist ein oGTT nicht möglich, wird erneut der Nüchternblutzucker (NPG) gemessen. Er sollte weniger als 4,8 mmol/l (86 mg/dl) betragen. Ist einer dieser beiden Suchtests (Screeningtests) auffällig, wird ein höher dosierter Zuckerbelastungtest mit 75 oder sogar 100 g Glukose und die Messung des Blutzuckers nüchtern, nach 1, 2 und evtl. noch nach 3 Stunden empfohlen.

 

Wichtig zur Behandlung eines Schwangerschaftsdiabetes ist auch eine Ernährungs- und Lebensumstellung:

Mehrere kleine Mahlzeiten anstatt weniger großer und Kalorienreduktion (weniger Fett und mehr Eiweiß, weniger aber höherwertige Kohlenhydrate) sind ein erster Schritt.

Regelmäßige körperliche Betätigung wie Schwimmen, Gehen, Treppensteigen lässt die Körperzellen besser auf das körpereigene Insulin ansprechen. Erst wenn Diät und Bewegung gegen Ende der Schwangerschaft hin keine Wirkung mehr zeigen, müssen Insulin gespritzt und die Blutzuckerwerte zu Hause selbst überprüft werden. Das ist etwa bei einem Viertel der Frauen mit Gestationsdiabetes erforderlich. Orale Antidiabetika (Blutzuckertabletten) dürfen in der Schwangerschaft nicht eingenommen werden.

 

Der Schwangerschaftsdiabetes verschwindet normalerweise schon kurz nachdem die Plazenta ausgestoßen wird. Bei manchen Frauen bleibt die Stoffwechselstörung jedoch auch noch nach der Geburt bestehen, und bei 30 bis 50 Prozent aller Mütter kommt es innerhalb von fünf bis zehn Jahren nach der Geburt zu einem echten Diabetes mellitus vom Typ I oder II.  Fachleute empfehlen deshalb Blutzuckerkontrollen im Wochenbett, nach der Stillzeit und danach alle ein bis zwei Jahre.