Übergewicht und Adipositas im Kindesalter

Wenn Kinder zu viel wiegen...

ist dies oft die Ursache vieler Einflussfaktoren, die schon in der Schwangerschaft beginnen können. Übergewicht bei Kindern entsteht nicht erst, wenn sie mehr essen, als ihnen gut tut. Schon während der Schwangerschaft werden die Voraussetzungen für die spätere Gesundheit geschaffen, so vermuten Wissenschaftler. Während der Schwangerschaft reifen Immunsystem und Stoffwechsel heran.

Die Ernährung der Mutter beeinflusst in dieser Zeit die kindliche Entwicklung mehr als bisher angenommen. So kann sich bei Müttern, die sich zu süß und fettreich ernähren, ein Schwangerschaftsdiabetes entwickeln, den man mit einem Blutzuckertest feststellen kann und behandeln sollte.

 

Sind die Gene verantwortlich?

Das Risiko des Einzelnen, übergewichtig zu werden, ist zwar stark von der Veranlagung abhängig. Die Gene können jedoch die rasante Zunahme des Übergewichts nicht erklären.

Aktuelle Studien zeigen einen alarmierenden Anstieg in der Prävalenz von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter. Eine Studie des Robert-Koch-Instituts an 17.000 Kindern und Jugendlichen ergab, dass insgesamt 15 Prozent aller deutschen Kinder und Jugendlichen übergewichtig sind, 6,3 Prozent leiden unter Adipositas. Aus übergewichtigen Kindern entwickeln sich in den meisten Fällen übergewichtige Erwachsene mit hohen Risiken für akute und chronische Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, koronare Herzkrankheit, Krebs, Gicht, psychosoziale Störungen und orthopädische Erkrankungen.

Effektive Maßnahmen zur Prävention von Übergewicht sowie therapeutische Interventionen müssen ab dem frühen Kindesalter erfolgen.

 

 

Stillen kann Übergewicht vorbeugen

Ob ein Baby nach der Geburt gestillt oder mit den Fläschchen aufgezogen wird, beeinflusst offenbar das Risiko, im späteren Alter übergewichtig zu werden. Langes Stillen scheint auch langfristig günstige Auswirkungen in Bezug auf die Entwicklung des Körpergewichts zu haben. 

 

Die Arbeitsgruppe von Professor Koletzko, München, setzte in einer Querschnittsstudie von 9.357 Kindern die frühkindliche Ernährung und Faktoren des elterlichen Lebensstils in Beziehung mit dem Körpergewicht.

 

 

Die Beobachtungen der Arbeitsgruppe:

Zum Zeitpunkt des Schuleintritts kam Übergewicht bei mit Säuglingsnahrung gefütterten Kindern 1,6-mal häufiger vor als bei gestillten Kindern. Professor Koletzko: "Es gibt auch einige Hinweise darauf, dass das niedrige Risiko für Übergewicht oder Fettleibigkeit bei gestillten Kindern mit den Merkmalen der Muttermilch - hormonelle Einflüsse, bioaktive Faktoren, niedrigere Energieaufnahme oder niedrige Eiweißaufnahme - zusammenhängen kann. Alle diese Merkmale können langfristige Auswirkungen haben".

Gestillte Säuglinge zeigen im Mittel eine geringere Gewichtszunahme im ersten Lebensjahr als mit der Flasche ernährte Kinder, was aber positiv zu werten ist: Tatsächlich ist eine rasche Gewichtszunahme in den ersten beiden Lebensjahren mit erhöhtem späteren Adipositasrisiko assoziiert. Es gibt überdies Hinweise darauf, dass untergewichtige Neugeborene, so zum Beispiel zu früh geborene Babys, von ihren besorgten Eltern überfüttert werden. Das führt jedoch zu einer überproportionalen Gewichtszunahme in den ersten Lebensmonaten. In epidemiologischen Studien erwies sich dieses Phänomen - englisch als "rapid early weight gain" bezeichnet - als Risikofaktor für Übergewicht und andere metabolische Störungen.

 

 

Der Body Mass Index

Für Deutschland wurden BMI-Referenzwerte für Kinder und Jugendliche aus Daten verschiedener Querschnittsuntersuchungen erstellt. Konventionell wird Übergewicht im Kindes- und Jugendalter als ein BMI über der 90. Perzentile und Adipostias als ein BMI über der 97. Perzentile für das jeweilige Alter und Geschlecht definiert. Für Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren hat die Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter BMI-Referenzwerte herausgegeben.

 

BMI-Rechner

Den BMI für Kinder und Jugendliche können Sie beispielsweise auf der Website der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) berechnen. Damit können Sie feststellen, ob das Gewicht Ihres Kindes seinem Alter entspricht.

 

 

Körperliche Inaktivität

Auch bei Einflüssen genetischer und frühkindlich programmierender Faktoren entwickelt sich Übergewicht dann, wenn die Energieaufnahme des Körpers dauerhaft höher ist als der Energieverbrauch für Grundumsatz, Thermoregulation, Wachstum und körperliche Aktivität. Energieverbrauch und Energiebalance werden besonders durch die stark variable körperliche Aktivität und Muskelarbeit beeinflusst. Mit regelmäßiger körperlicher Aktivität ist nicht nur der direkte Effekt eines höheren Energieverbrauchs verbunden, sondern auch eine Zunahme der Muskelmasse, die zu einem erhöhten Energieverbrauch im Ruhezustand (Grundumsatz) und einer höheren muskulären Fettoxidation.

 

Insgesamt hat die körperliche Aktivität unter Kindern und Jugendlichen stark abgenommen - zugunsten von inaktiven Freizeitbeschäftigungen wie Fernsehen oder Computerspielen. Ein hoher Konsum von Fernsehen und anderen elektronischen Medien schon im Vorschulalter ergab in vielen Studien einen starken Vorhersagewert für gehäuftes kindliches Übergewicht.

Aus den Beobachtungen dieser Studien kann die Empfehlung abgeleitet werden, dass der tägliche Fersehkonsum von Kindern nicht mehr als 1 Stunde betragen sollte.

 

Ernährungsgewohnheiten

Die Ernährungsgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen werden stark vom Elternhaus, von Freunden, Medien und durch frühkindliche Erfahrungen und Geschmacksausprägungen beeinflusst.

Je fettreicher, also energiedichter die Ernährung, desto höher ist die Zunahme des Körpergewichts. Der Körper lagert nur eingeschränkte Mengen im Überfluss zugeführter Proteine und Kohlenhydrate ein. Im Gegensatz dazu kann Fett in nahezu unbegrenzter Menge im Körper deponiert werden. Fett führt zudem bei gleicher Kalorienaufnahme zu einem geringeren Sättigungsgefühl als Kohlenhydrate und Proteine, verbessert jedoch oft den Geschmack von Nahrungsmitteln.

 

Ein weiteres Risiko für den Entwicklung von Übergewicht ist der regelmäßige Konsum von zuckerhaltigen und energiedichten Getränken. Auch hier konnten Studien nachweisen, dass ein direkter Zusammenhang zwischen dem Konsum von Softdrinks und einer erhöhten Gewichtszunahme besteht. Zu empfehlen sind dagegen Wasser, ungesüßte Tees und Schorlen.

 

 

Gesundheitliche Folgen von Übergewicht und Adipositas

Übergewicht im Kindes- und Jugendalter führt nicht nur kurz- und mittelfristig zu gesundheitlichen und psychosozialen Problemen, sondern zeigt auch langfristige Folgen für die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit im Erwachsenenalter. Bei sehr starker Adipositas kann sich der als "Altersdiabetes" bezeichnete Diabetes melltius Typ 2 schon bei Jugendlichen manifestieren.

 

Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen zeigt ohne effektive Behandlung eine hohe Persistenz im Erwachsenenalter: Bis zu 2/3 der übergewichtigen Kinder und Jugendlichen werden übergewichtige Erwachsene.

 

 

Therapie von Übergewicht und Adipositas

Nach Ausschluss ursächlicher Grunderkrankungen hat die Therapie von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter das Ziel einer Langzeitstabilisierung der Körpergewichts innerhalb eines normalen Rahmens.

Behandlungsprogramme und Therapiekonzete sollten

  • eine Änderung des Essverhaltens und der Nahrungszusammensetzung und
  • eine Zunahme der körperlichen Aktivität beinhalten.

 

Weitere Änderungen von Verhaltensmustern sollten durch belgeitende psychologische Behandlungsstrategien erreicht werden. Gestärkt werden sollte das Durchhaltevermögen und das Selbstbewusstsein der Kinder und Jugendlichen. Die Einbeziehung der Eltern/Familie in die Behanldung ist ebenfalls für eine erfolgreiche Therapie notwendig.

 

Entscheidend für den Erfolg einer Behandlung ist es, das neu erlernte Verhalten weiterzuführen und zu festigen. 

 

Quelle: "Übergewicht und Adipositas in Kindes- und Jugendalter", A. Rauh-Pfeiffer, B. Koletzko, Monatszeitschrift Kinderheilkunde 2007, 155:469-483.

 

 

Die Stiftung Kindergesundheit bietet Hilfen an:

 

TigerKids - Adipositasprävention im Kindergarten: www.tigerkids.de