Neugeborenen-Intensiv
Frühchen - intensiv überwacht
Bei zu früh geborenen Kindern, den Frühchen, sind die meisten Organsysteme noch nicht voll ausgereift funktionsfähig. Frühgeborene können zum Beispiel ihre Körpertemperatur nicht selbstständig regulieren. Ihr Immunsystem ist zudem noch zu schwach, um Infektionen erfolgreich zu bekämpfen. Die wertvollen Antikörper, die die Mutter über die Plazenta an das ungeborene Kind weitergibt, sind noch nicht ausreichend vorhanden.
Das Gehirn ist noch sehr unreif, die Blutgefässe noch so zart, dass durch Einblutung oder Minderdurchblutung bestimmte Hirnregionen leicht geschädigt werden können. Als Folge zeigt sich beim Kind dann häufiger eine Cerebralparese, früher oft als spastische Kinderlähmung bezeichnet. Diese schwere körperliche Behinderung ist oft erst nach drei Monaten eindeutig zu diagnostizieren. Während die Cerebralparese bei vollständig ausgetragenen Neugeborenen nur einmal unter 1000 Kindern auftritt, ist sie bei 1500 g schweren Frühgeborenen 50 mal und bei 1000 g schweren Frühgeborenen sogar 100 mal so häufig. Bei Kindern, die mit etwa 500 g und nach 25 Wochen Schwangerschaft geboren werden, muss bei einem Viertel der Überlebenden mit einer Cerebralparese gerechnet werden.
Atmung und Herz-Kreislauf Funktion müssen bei Frühgeborenen gut überwacht werden, damit keine gefährlichen Pausen eintreten. Durch die Lungenunreife und einen Mangel an Surfactant -Faktor kommt es bei Frühgeborenen zu einem Atemnotsyndrom.
Die intensivmedizinische Betreuung in einem Brutkasten, dem Inkubator, gibt dem Frühgeborenen Schutz und Zeit. Es kann so in Ruhe die Entwicklung, die eigentlich noch im Mutterleib hätte stattfinden sollen, nachholen. Babys, die zwischen der 34. und 37. Schwangerschaftswoche geboren werden, haben in spezialisierten Zentren (sogenannten Perinatalzentren) inzwischen kaum noch Probleme. Die meisten Frühgeborenen können nach Hause entlassen werden, wenn sie ein Gewicht von mindestens 2000 g erreicht haben. Das ist in der Regel nicht vor dem ursprünglich errechneten Geburtstermin der Fall.
Niedriges Geburtsgewicht
Eine Intensivmedizinische Betreuung wird dann notwendig, wenn das Geburtsgewicht des Neugeborenen zu gering ist, d. h. unter 2500 g. Dies kommt bei etwa 4 bis 8 Prozent aller Neugeborenen vor. Davon sind die meisten Frühgeburten, aber auch bei termingerechter Geburt sind viele Kinder zu leicht: Etwa ein Drittel der zum errechneten Termin geborenen Babys haben ein für das Schwangerschaftsalter zu geringes Geburtsgewicht. Viele dieser Babys sind ansonsten völlig gesund.
Babys, die zu früh, zu klein und zu leicht geboren wurden, als es in der entsprechenden Schwangerschaftswoche zu erwarten gewesen wäre, sind besonders anfällig für Komplikationen. Sie könnten z. B. durch den Stress während der Geburt so geschwächt sein, dass eine medizinisch gesteuerte Geburt (wie Vakuumextraktion, Zangengeburt oder Kaiserschnitt) notwendig wird.
Allgemein besteht bei untergewichtigen Neugeborenen - auch wenn sie keine "Frühchen" sind - ein erhöhtes Risiko für Störungen der Atmungs- und Verdauungsfunktion. Da die Fettschicht unter der Haut weniger gut ausgebildet ist und sie ihre Körpertemperatur nicht selbst regulieren können, kann diese zu niedrig sein. Dann müssen die Kinder rasch in einen Inkubator kommen. Sehr kleine Babys bekommen auch häufiger Neugeborenengelbsucht, wenn die Leber noch nicht voll funktionsfähig ist.
Manche untergewichtige Neugeborene haben einen zu niedrigen Blutzuckerspiegel. Diese so genannte Hypoglykämie kann in schweren Fällen zu Hirnschädigungen führen. Es können auch ein Mangel an Mineralien wie Kalzium und Eisen sowie Anämie und Blutgerinnungsstörungen auftreten. Mit der entsprechenden Behandlung kann man heutzutage die meisten dieser Komplikationen sehr gut behandeln.
Die Ursachen für ein zu niedriges Gewicht des Babys bei der Geburt sind vielfältig: Unzureichende Ernährung, Rauchen oder Alkoholkonsum während der Schwangerschaft spielen ebenso eine Rolle wie Infektionen, eine chronische mütterliche Krankheit, Mehrlingsschwangerschaften oder angeborene Fehlbildungen.
Der Inkubator
Auf der Neugeborenen-Intensivstation liegen die meisten Babys in einem Inkubator (Brutkasten). Er dient in erster Linie dazu, die Körpertemperatur des Kindes zu stabilisieren und es mit warmer, feuchter Luft zu versorgen. Wenn nötig, können auch zusätzlich Sauerstoff zugeführt oder Infusionen gelegt werden. Spezielle Geräte überwachen ständig den Zustand des Neugeborenen.
Die Inkubatoren haben Türen oder Durchgriffsöffnungen, so dass Eltern und medizinisches Personal das Kind versorgen können. Neuere Geräte haben keinen Deckel. Bei ihnen ist oberhalb des Bettchens eine Heizvorrichtung angebracht.
Für gewöhnlich bleiben die Kinder im Inkubator, bis sich ihre Organfunktionen stabilisiert haben und sie in der Lage sind, ihre Körpertemperatur selbst zu halten. Wenn das Kind kräftig genug und nicht mehr auf den Brutkasten angewiesen ist, kann es auch in ein Wärmebett verlegt werden.
Atemprobleme
Sofort nach der Geburt holt das Neugeborene zum ersten Mal Luft. Bei den meisten Babys geschieht dies innerhalb der ersten 20 Sekunden. Wichtig ist, dass sich die Lungenbläschen erweitern, damit das Kind richtig atmen kann. Die Atmungstätigkeit des Neugeborenen wird sofort nach der Geburt von der Hebamme oder dem Arzt, der Ärztin als Teil des Apgar-Tests beurteilt.
Manchmal fängt das Baby nicht selbstständig zu atmen an. Probleme mit der Atmung können vor oder während der Geburt ihren Ursprung haben. Manchmal müssen die Luftwege nur von Fruchtwasser, Kindspech (Mekonium) oder Käseschmiere (Vernix caseosa) befreit werden.
Das Atemnotsyndrom - Respiratory-distress-Syndrom (RDS):
Die Lungenbläschen des Neugeborenen werden normalerweise durch den Surfactant-Faktor unter Spannung gehalten, damit genügend Luft einströmen kann und die Lungenbläschen beim Ausatmen nicht völlig zusammenfallen. Neugeborene mit dem so genannten Atemnotsyndrom produzieren diesen Stoff nicht ausreichend und leiden daher unter Sauerstoffmangel.
Das Atemnotsyndrom tritt meistens bei untergewichtigen Frühgeborenen auf, deren Lungen noch nicht voll entwickelt sind, und bei Kindern von Diabetikerinnen, deren Blutzuckerspiegel nicht optimal eingestellt war. Bei Neugeborenen mit Atemnotsyndrom ist eine intensivmedizinische Betreuung notwendig, bei der die Atemtätigkeit mehr oder weniger stark unterstützt und Surfactant-Faktor zugeführt wird. Dank verbesserter Betreuung vor der Geburt (Vermeidung von Frühgeburten, bessere Stoffwechsel-Einstellung diabetischer Schwangerer und vorgeburtliche Gabe von Cortison-ähnlichen Präparaten zur Stimulation der Lungenreifung) und effizienteren Behandlungsmethoden nach der Geburt haben Babys mit Atemnotsyndrom heutzutage sehr gute Überlebenschancen.
Neugeborenensepsis
Finden sich bei Schwangeren Streptokokken der Gruppe B im Genitalbereich (in der Regelverursachen sie keinerlei Symptom), kann es unter der Geburt manchmal zu einer Ansteckung des Kindes kommen. Meist verläuft diese aber auch harmlos und braucht nicht behandelt zu werden. Wenn sich jedoch beim Neugeborenen eine GBS-Sepsis entwickelt (sehr selten), kommt zu einer massiven Vermehrung der Erreger im Blut. In diesem Fall muss rasch gehandelt werden, das sonst Langzeitschäden wie Taubheit, Seh- und Intelligenzstörungen resultieren - schlimmstenfalls stirbt das Neugeborene. Deshalb ist eine GBS-Sepsis unbehandelt auch heute noch eine lebensbedrohliche Erkrankung, für die entsprechende Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden sollten.
Gefährdete Schwangere bzw. ihre Kinder können mit einem GPS-Screeningtest herausgefunden werden. Leider sind die Kosten sehr hoch, wenn man alle Schwangeren testen will. Ein weiterer Nachteil: Die Experten sind sich heute relativ einig, dass eine vorsorgliche Behandlung der werdenden Mutter in der Schwangerschaft keinen Vorteil bringt. Viele Ärzte und Spitäler behandeln deshalb erst, wenn die Geburt unmittelbar bevorsteht bzw. bei Frühgeburtsanzeichen, bei einem (vorzeitigen) Blasensprung, Fieber oder starkem Ausfluss. Als Antibiotikum wird in der Regel Penicillin eingesetzt.
Ernährung auf der Intensivstation
Sehr schwache Frühgeborene, die mit mehreren Komplikationen gleichzeitig zu kämpfen haben, können oft nicht stark genug saugen und anfangs auch noch keine Milch verdauen. Ihnen wird über einen Schlauch eine spezielle Nährlösung verabreicht, bis sich ihre Verdauungsfunktionen stabilisiert haben. Erst dann wird ihnen abgepumpte Muttermilch oder ein besonderes Säuglingsmilchpräparat gegeben. Ihr Kind wird dann mehrmals täglich mit kleinen Portionen gefüttert.
Für Frühgeborene ist das kurz nach der Geburt produzierte Kolostrum besonders wichtig, da es noch mehr Proteine und Nährstoffe enthält, als die Vormilch nach einer termingerechten Entbindung.
Viele Mütter und Väter fühlen sich in einer solchen Situation hilflos, da sich zwar eine Schar von Ärzten und Schwestern um ihr Kind kümmert, sie selbst aber nichts zu seinem Wohlergehen beitragen können. Wenn Sie Brustmilch für Ihr Baby abpumpen kann das Ihnen helfen, sich nützlicher und Ihrem Baby näher zu fühlen. In der Entbindungsklinik wird Ihnen das Abpumpen erklärt und gezeigt.
Vermutlich werden Sie mehr Brustmilch produzieren, als das Kind trinken kann. Aber wenn Sie so viel wie möglich abpumpen, versiegt die Milch nicht und Sie können Ihr Baby dann später erfolgreich stillen, wenn es nicht mehr intensivmedizinisch betreut werden muss.
Es ist gut, bei Frühgeborenen ab der 30. Woche Stillversuche zu fördern und damit die Mutter und durch den Hautkontakt mit der Mutter noch intensiver in die Betreuung des Kindes mit einzubeziehen.