Handlungsempfehlungen: Gesund durch Schwangerschaft

Im Auftrag des bundesweiten Netzwerks "Gesund ins Leben - Netzwerk Junge Familie"

 

Für das Leben prägend

Gerade in der Schwangerschaft ist eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige körperliche Bewegung wichtig, um Gesundheit und Wohlbefinden für Mutter und Kind zu fördern.

Eine nährstoffreiche Ernährung - schon vor Beginn der Schwangerschaft - bietet die beste Voraussetzung für das schnelle Wachstum und die Entwicklung des Kindes. Genug - aber nicht zu viel an Energie ist wünschenswert. Starkes Übergewicht der Mutter kann nachteilige Auswirkungen auch für das Kind haben, denn dann steigt das Risiko für ein hohes Geburtsgewicht sowie für Übergewicht und Diabetes mellitus Typ 2 im späteren Leben. 

Der zusätzliche Energiebedarf während der Schwangerschaft ist nicht besonders erhöht. Größer wird aber der Bedarf an verschiedenen Mikronährstoffen. Schwangere brauchen jedoch keine speziellen Lebensmittel. Bis auf wenige Ausnahmen, wie Folsäure und Jod, und bei einigen Frauen Eisen, kann der Bedarf an Nährstoffen über normale Lebensmittel gedeckt werden.

 

Regelmäßige Bewegung, körperliche Aktivität fördert vor , während und nach der Schwangerschaft die Gesundheit von Mutter und Kind. 

Ganz besonders wichtig ist es, auf Alkohol und Tabakrauch in der Schwangerschaft zu verzichtet, denn beides kann dem Kind schaden. Nichtrauchen vor, während und nach der Schwangerschaft sowohl durch die Mutter als auch generell in der Umgebung von Mutter und Kind (Vermeiden von Passivrauchen) trägt zur Förderung der mütterlichen und kindlichen Gesundheit bei.

 

Auch die Vorbeugung vor Allergien beim Kind beginnt bereits in der Schwangerschaft.

 

Die Handlungsempfehlungen für die Ernährung in der Schwangerschaft sollten helfen, einen gesundheitsfördernden Lebensstil zu finden. Das  Netzwerk "Gesund ins Leben - Netzwerk Junge Familie" hat diese  Handlungsempfehlungen entwickelt.

Das Netzwerk "Gesund ins Leben" ist ein Projekt der Initiative IN FORM der Bundesregierung und wird vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) finanziell gefördert.

Es ist ein bundesweites Kommunikationsnetzwerk, in dem sich als Akteure  medizinische und wissenschaftliche Fachgesellschaften, Berufsverbände, verschiedene Institutionen und Medien zusammenschließen, die Eltern rund um die Schwangerschaft und die Geburt begleiten und unterstützen wollen. Die Projektorganisation liegt beim aid infodienst in Bonn.

 

Diese Empfehlungen wurden verfasst durch den wissenschaftlichen Beirat des Netzwerks "Gesund ins Leben - Netzwerk Junge Familie":

  • Prof. Dr. Berthold Koletzko (Sprecher), München (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin)
  • Prof. Dr. Carl-Peter Bauer, Gaißach
  • Prof. Dr. Claudia Hellmers, Osnabrück (Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft)
  • Prof. Dr. Mathilde Kersting, Dortmund (Forschungsinstitut für Kinderernährung)
  • Prof. Dr. Michael Krawinkel, Gießen (Deutsche Gesellschaft für Ernährung)
  • Prof. Dr. Hildegard Przyrembel, Berlin
  • Prof. Dr. Torsten Schäfer, Lübeck
  • Prof. Dr. Klaus Vetter, Berlin (Nationale Stillkommission)
  • Prof. Dr. Ulrich Wahn, Berlin
  • Dr. Anke Weißenborn, Berlin (Bundesinstitut für Risikobewertung)
  • PD Dr. Achim Wöckel, Ulm (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe)

Gastexperten:

  • Prof. Dr. Peter Bung, Bonn
  • Dr. Regina Rasenack, Freiburg

Die Handlungsempfehlungen werden unterstützt von den Berufsverbänden und wissenschaftlichen Fachgesellschaften der Frauenärzte, Hebammen sowie der Kinder- und Jugendärzte [BVF (Berufsverband der Frauenärzte), DGGG (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe), DGKJ (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin), DGHW (Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft), DHV (Deutscher Hebammenverband), BVKJ (Berufs¬verband der Kinder- und Jugendärzte)].

 

Hinweis: Die hier beschriebenen Handlungsempfehlungen beziehen sich auf den Zeitraum der Schwangerschaft. Eine Übertragung der Empfehlungen auf andere Lebensphasen oder auf andere Regionen außerhalb Deutschlands ist nicht ohne weiteres möglich und sinnvoll.

 

Kernaussagen der Handlungsempfehlungen im Überblick 

Energie- und Nährstoffbedarf

  • Der Energiebedarf steigt im Verlauf der Schwangerschaft nur leicht an. Der Energiebedarf ist in den letzten Monaten der Schwangerschaft etwa 10 % höher als vor der Schwangerschaft.
  • Im Verhältnis zum Energiebedarf steigt der Bedarf an einzelnen Vitaminen und Mineralstoffen/Spurenelementen in der Schwangerschaft erheblich stärker. Deshalb sollten schwangere Frauen besonders auf die Qualität ihrer Ernährung achten.

 

Ernährungsweise

Allgemeine Empfehlungen

  • Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung ist für die Gesundheit der Schwangeren und für die Entwicklung des Kindes von großer Bedeutung.
  • Die Ernährung in der Schwangerschaft orientiert sich an den allgemeinen Empfehlungen für eine ausgewogene Ernährung.
  • Regelmäßige Mahlzeiten sind in der Schwangerschaft wünschenswert und förderlich für das Wohlbefinden der werdenden Mutter.
  • Schwangere sollten auf einen regelmäßigen Verzehr von Gemüse, Obst, Vollkornprodukten, fettarmer Milch und fettarmen Milchprodukten, fettarmem Fleisch und (fettreichem) Meeresfisch achten. Zusätzlich werden Supplemente mit Folaten (Folsäure oder Methylfolat) und mit Jod empfohlen.
  • In einer ausgewogenen Ernährung sind die Lebensmittelgruppen unterschiedlich gewichtet:
    Reichlich sollte es kalorienfreie/kalorienarme Getränke und pflanzliche Lebensmittel geben. 
    Mäßig sollten tierische Lebensmittel gegessen werden, dabei bevorzugt fettarme Milch(-produkte), fettarmes Fleisch, fettarme Fleischwaren und fettreiche Meeresfische.  
    Sparsam sollten Fette mit hohem Anteil gesättigter Fettsäuren sowie Süßigkeiten und Snackprodukte verzehrt werden.

 

Ausgewogene Ernährung in der Schwangerschaft - Beispiel für eine empfehlenswerte Lebensmittelauswahl

REICHLICH

Getränke:

  • zu jeder Mahlzeit 1 bis 2 Gläser/Tassen
  • auch zwischendurch trinken
  • möglichst kalorienfreie oder -arme Getränke (Wasser, ungesüßte Kräuter- und Früchtetees, stark verdünnte Fruchtsäfte) trinken

Gemüse und Obst:

  • pro Tag 5 Portionen

Getreideprodukte und Kartoffeln:

  • zu jeder Hauptmahlzeit Getreideprodukte, bevorzugt als Vollkorn, oder fettarm zubereitete Kartoffeln

MÄSSIG

Milch und Milchprodukte:

  • pro Tag mindestens 3 Portionen
  • fettarme Milch(-produkte) bevorzugen

Fleisch und Fisch:

  • pro Woche 3 bis 4 Portionen mageres Fleisch oder magere Wurst/Fleischerzeugnisse
  • pro Woche 2 Portionen Fisch (vor allem Meeresfisch, mindestens 1 x davon fettreicher Fisch, z. B. Hering, Makrele, Lachs)

SPARSAM

Öle und Fette:

  • bevorzugt Pflanzenöle verwenden: pro Tag mindestens 2 Esslöffel Pflanzenöl (zur Zubereitung von Speisen)
  • pro Tag maximal 1 bis 2 Esslöffel "feste" Fette (als Streichfett für Brot oder zur Zubereitung von Speisen)

Süßigkeiten und Snackprodukte:

  • nur gelegentlich, pro Tag maximal 1 kleine Portion

Empfehlungen für Vegetarierinnen

  • Eine vegetarische Ernährung mit Verzehr von Milch und Eiern (ovo-lakto-vegetarisch) kann bei gezielter Lebensmittelauswahl auch in der Schwangerschaft den Bedarf der meisten Nährstoffe decken.
    Um eine ausreichende Eisenversorgung sicherzustellen, sollen nach entsprechender Blutuntersuchung und medizinischer Beratung ggf. Eisensupplemente eingesetzt werden.
    Bei Verzicht auf den Verzehr von Meeresfisch sollten Supplemente mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren erwogen werden.
  • Dagegen ist mit einer rein pflanzlichen (veganen) Ernährung eine ausreichende Nährstoffversorgung in der Schwangerschaft auch bei sorgfältiger Lebensmittelauswahl nicht möglich. Eine vegane Ernährung birgt ernsthafte gesundheitliche Risiken - insbesondere für die Entwicklung des kindlichen Nervensystems. 
    Bei einer veganen Ernährung sind immer eine spezielle medizinische Beratung und die Einnahme von Mikronährstoffsupplementen notwendig.

 

Supplemente

Folsäure/Folate

  • Frauen, die eine Schwangerschaft planen, sollten zusätzlich zu einer folatreichen Ernährung ein Supplement mit Folsäure/Methylfolat (mindestens 400 µg/Tag) einnehmen. In der Schwangerschaft soll die Einnahme mindestens bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels fortgesetzt werden.

Jod

  • Vor und in der Schwangerschaft sollte auf eine ausreichende Jodzufuhr geachtet werden. Empfehlenswert sind die Verwendung von jodiertem Speisesalz, der Verzehr von Meeresfisch 2 x pro Woche sowie der regelmäßige Verzehr von Milch und Milchprodukten.
  • Zusätzlich sollen Schwangere täglich ein Supplement mit 100(-150) µg Jodid einnehmen. Bei Schilddrüsenerkrankungen soll eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen.

Eisen

  • Schwangere sollten auf eine ausreichende Zufuhr von Eisen mit der Ernährung achten.
  • Der mögliche Bedarf einer Eisensupplementation ist individuell medizinisch abzuklären.

 

Schutz vor Infektionen durch Lebensmittel

  • Schwangere sollen keine rohen tierischen Lebensmittel essen. Dazu zählen rohes oder nicht durchgebratenes Fleisch, Rohwurst (z.B. Salami), roher Fisch, Rohmilch, rohe Eier sowie daraus hergestellte, nicht ausreichend erhitzte Speisen und Produkte. Auch Weichkäse und Räucherfisch sollen gemieden werden.
  • Obst, Gemüse und Salate sollen vor dem Verzehr gründlich gewaschen, frisch zubereitet und bald verzehrt werden. Vorbereitete, abgepackte Salate sollen Schwangere nicht verzehren.
  • Mit Erde behaftete Lebensmittel, z. B. Karotten oder Kartoffeln, sind getrennt von anderen Lebensmitteln aufzubewahren und vor der Verwendung gründlich zu waschen.

Genussmittel

Alkohol

  • Schwangere sollen Alkohol meiden. Am sichersten ist es, in der Schwangerschaft keinen Alkohol zu trinken.

Rauchen

  • Schwangere sollen nicht rauchen und sich nicht in Räumen aufhalten, in denen geraucht wird oder wurde.

 

Koffeinhaltige Getränke

  • Schwangere sollten koffeinhaltige Getränke nur in moderaten Mengen trinken. Bis zu 3 Tassen Kaffee pro Tag werden als unbedenklich angesehen.
  • Vom Konsum koffeinhaltiger Energydrinks in der Schwangerschaft wird abgeraten.

 

Körpergewicht und Gewichtsentwicklung

  • Das Körpergewicht der Frau vor der Schwangerschaft ist von großer Bedeutung für den Schwangerschafts- und Geburtsverlauf sowie für die Gesundheit des Kindes. Deshalb sollten Frauen schon vor der Schwangerschaft Normalgewicht anstreben.
  • Eine normale Gewichtszunahme in der Schwangerschaft liegt für normalgewichtige Frauen zwischen etwa 10 und 16 kg.

 

Bewegung

  • Körperliche Aktivität in der Schwangerschaft ist wünschenswert und dient der Gesundheit von Mutter und Kind.
  • Schwangere sollten täglich in Bewegung sein (körperliche Aktivitäten im Alltag und/oder Sport).
  • Sportliches Training sollte in der Schwangerschaft nur mit mäßiger Intensität ausgeübt werden. Das ist der Fall, wenn eine Unterhaltung während des Sporttreibens noch möglich ist (Talk-Test).

 

Arzneimittel in der Schwangerschaft

  • Arzneimittel sollen in der Schwangerschaft  nur nach Rücksprache oder in Absprache mit dem Arzt eingenommen oder abgesetzt werden.

 

Typische Schwangerschaftsbeschwerden

  • Bei typischen Schwangerschaftsbeschwerden (Übelkeit, Verstopfung, Sodbrennen etc.) sollten sich Schwangere medizinisch beraten lassen.

 

Vorbereitung auf das Stillen

  • Werdende Eltern sollten sich bereits in der Schwangerschaft über das Stillen informieren und beraten lassen. Denn Stillen ist das Beste für Mutter und Kind.

 

Mütterliche Ernährung in der Schwangerschaft zur Allergieprävention beim Kind

  • Das Meiden bestimmter Lebensmittel in der Schwangerschaft hat keinen Nutzen für eine Allergieprävention beim Kind.
  • Regelmäßiger Verzehr von Fisch (fettreichem Meeresfisch) in der Schwangerschaft wird auch unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Allergieprävention empfohlen.
  • Eine Zufuhr von Prä- und Probiotika in der Schwangerschaft bietet keine hinreichend bewiesenen Vorteile für die Allergieprävention beim Kind.