Dezember 2009

Stiftung Kindergesundheit bekräftigt: Impfungen schützen und retten Leben!

Fakten gegen Mythen und Vorbehalte zur Bedeutung und Sicherheit von Impfungen

Die chaotische Diskussion in den Medien über die Schweinegrippe H1N1 könnte für den Gesundheitsschutz unserer Kinder katastrophale Folgen haben, befürchtet die Stiftung Kindergesundheit. Die dadurch verunsicherten Eltern könnten daraus falsche Schlüsse auch über die Notwendigkeit und Sicherheit anderer Impfungen ziehen und auf die nachweislich schützenden und lebensrettenden Impfungen ihrer Kinder verzichten. Sinkende Impfraten bringen aber die Gefahr eines erneuten Anstiegs der durch Impfungen vermeidbaren Erkrankungen mit sich. Deshalb hat die Stiftung jetzt die am häufigsten diskutierten Behauptungen, Zweifel und Vorbehalte von Impfgegnern und Impfskeptikern aufgegriffen und den tatsächlichen Fakten gegenübergestellt.

 

„Impfgegner können sich zurzeit genüsslich zurücklehnen, denn die einander widersprechenden ‚Experten’ haben ihre Rolle übernommen!“ sagt Professor Dr. Berthold Koletzko,  Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit nicht ohne Verbitterung. „Harmlose Lokalreaktionen nach einer Impfung gegen die neue Grippe wurden von den Medien leichtfertig zu schweren Nebenwirkungen hochgejubelt, bewährte Bestandteile von Impfstoffen zu gefährlichen Chemikalien befördert. Es ist zu befürchten, dass manche solchermaßen verunsicherte Eltern die haltlosen Befürchtungen auch auf die bewährten und sicheren Kinderimpfungen übertragen. Damit würden sie jedoch die Gesundheit ihres Kindes aufs Spiel setzen“, so der Münchner Kinder- und Jugendarzt, Stoffwechselspezialist der Universitäts-Kinderklinik München.

 

In ihrer aktuellen Stellungnahme setzt sich die Stiftung Kindergesundheit mit 13 besonders hartnäckig wiederholten Einwänden gegenüber Impfungen auseinander.

1. Krankheiten wie Diphtherie oder Kinderlähmung gibt es bei uns gar nicht mehr - wozu noch dagegen impfen?

Es ist gerade den unvergleichlichen Erfolgen von Impfungen zu verdanken, dass die früheren Schrecken der Kinderjahre, wie Pocken, Kinderlähmung, Diphtherie, Tetanus oder Masern heute bei uns so selten geworden sind. Sie sind aber (noch) nicht verschwunden. Tetanus-Erreger befinden sich im Erdboden auf der ganzen Welt und sind nicht zu bekämpfen. Nach wie vor erkranken Kinder in Deutschland an dieser lebensbedrohlichen Infektion. Eine Immunität gegen sie ist nur durch die Impfung zu erreichen. Auch Diphtherie-Erreger sind noch vorhanden. Sie können von Urlaubsheimkehrern, Geschäftsreisenden oder Einwanderern tagtäglich eingeschleppt werden und sich ausbreiten. Fälle von Kinderlähmung (Polio) sind vor einiger Zeit im Urlaubsgebiet der Dominikanischen Republik, in Anatolien und in Bulgarien registriert worden, auch in Afrika und Indien tritt Polio kontinuierlich auf. 1992/93 gab es in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, in den Niederlanden eine regelrechte Polio-Epidemie mit 68 Kranken und zwei Todesopfern. Betroffen waren ausschließlich Angehörige einer religiösen Gruppe im so genannten „Bibelgürtel“, die Impfungen kategorisch ablehnt. Neue Fälle von Kinderlähmung in Albanien im Jahr 1996, in Rumänien im Jahr 2000, in Bulgarien im Jahr 2001, oder der explosionsartige Anstieg der Diphtherie in der ehemaligen Sowjetunion zeigen, dass eine Vernachlässigung von Schutzimpfungen ernsthafte Konsequenzen haben kann.

 

2. Man kann doch Krankheiten mit Medikamenten behandeln. Sind Impfungen überhaupt notwendig?

44 Prozent der Deutschen glauben, es gäbe wirksame Medikamente gegen Tetanus, 34 Prozent glauben, Tollwut sei heilbar. Leider falsch: Gegen Viruskrankheiten ist die Medizin auch heute noch weitgehend machtlos. Gegen eine Masern-Enzephalitis oder Mumps-Meningitis gibt es keine Medikamente. Die Gefährlichkeit zeigt das Beispiel des Masernausbruchs in Nordrhein-Westfalen 2006: Dort gab es 1.749 Krankheitsfälle, 15 Prozent davon mussten im Krankenhaus behandelt werden. Zwei Patienten  starben an den Folgen einer angeblich so harmlosen Kinderkrankheit. Von den rund 30 000 Krankheiten, die die Medizin heute kennt, können die Ärzte erst ein Drittel behandeln, oft auch nur deren Symptome. Antibiotika bekämpfen zwar Bakterien, es wurde jedoch noch nie eine Krankheit durch Antibiotika ausgerottet. Mit Hilfe der Impfungen ist es möglich, wenigstens einigen gefährlichen Krankheiten vorzubeugen. Wie erfolgreich Impfungen die Gesundheit von Kindern schützen können, zeigt das Beispiel der Impfung gegen Polio: 1961 gab es in der damaligen Bundesrepublik noch 4.461 Poliofälle. 305 Kinder starben an der Krankheit, 800 behielten lebenslange Behinderungen. Heute gilt ganz Europa als derzeit frei von Kinderlähmung - dank Impfung.

 

3. Wird das Immunsystem eines winzigen Babys nicht überlastet, wenn es schon einige Wochen nach der Geburt Krankheitskeime gespritzt bekommt?

Babys und kleine Kinder kommen jeden Tag mit neuen Keimen, Bakterien und Viren in Berührung. Die Antigene der abgeschwächten oder abgetöteten Krankheitserreger in den Impfstoffen machen nur einen kleinen Bruchteil dieser Begegnungen aus. Sie schädigen nicht das Immunsystem, sondern stimulieren es: Es reagiert nach der Impfung ähnlich wie bei einer echten Infektion und bildet Antikörper gegen die Krankheit.

 

4. Sechs Impfstoffe in einer einzigen Spritze - ist das nicht einfach zu viel?

Keineswegs. Jedes Kind kommt schon unmittelbar nach der Geburt ständig mit neuen Keimen, Krankheitserregern und Antigenen in Berührung und beginnt so, sein eigenständiges Abwehrsystem gegen die verschiedenen Krankheiten aufzubauen. Das Immunsystem des Kindes ist in der Lage, sich gleichzeitig mit mehreren Erregern auseinanderzusetzen. Impfstoffe machen nur einen kleinen Bruchteil dieser täglichen Auseinandersetzung aus. Die heute empfohlenen Impfungen für Kinder enthalten wesentlich weniger Antigene als die früheren. Die Routineimpfungen des Jahres 1960 enthielten zum Beispiel noch rund 3.200 Antigene, während heutigen Impfungen nur noch etwa 50 Antigene enthalten. Zum Vergleich: Eine Kiwi-Frucht enthält 30 neue Antigene. Die Verträglichkeit und Wirksamkeit von Mehrfachimpfungen wurde in vielen Studien untersucht. Sie unterscheidet sich nicht von Impfstoffen, mit denen nur vor einer Krankheit geschützt wird. Ihr großer Vorteil dagegen: Es sind wesentlich weniger Injektionen notwendig. So werden mit Hilfe eines Sechsfach-Impfstoffes bei der Grundimmunisierung nur sieben statt 32 Injektionen benötigt.

 

5. Sollten Kinder nicht besser erst in einem späteren Alter geimpft, wenn ihr Organismus stabiler ist?

Das wäre durchaus möglich. Es stehen aber gewichtige Argumente dagegen: Manche Krankheiten, zum Beispiel Keuchhusten, sind gerade am Anfang des Lebens besonders gefährlich. Deshalb sollten die Kinder so früh wie möglich vor ihnen geschützt werden. Im frühen Säuglingsalter kommt es durch die Impfung seltener zu Lokalreaktionen oder zu Fieber. Der Aufbau des Impfschutzes braucht zudem seine Zeit. So benötigt das Baby zum Beispiel zur Entwicklung der Abwehrkräfte gegen Wundstarrkrampf (Tetanus) mindestens drei Impfungen. Die Impfserie sollte bis zum Laufalter abgeschlossen sein. Denn: Ein Kind, das bereits laufen kann, kann auch hinfallen und sich dabei verschmutzte Wunden holen. Ohne ausreichenden Tetanus-Schutz bestünde dann Lebensgefahr.

 

6. Es gibt immer mehr Allergien. Sind die Impfungen schuld?

Für einen Zusammenhang zwischen Impfungen und einem gehäuften Auftreten von Allergien gibt es keine Anhaltspunkte. Das zeitliche Zusammentreffen einer allergischen Krankheit, zum Beispiel einer Neurodermitis bedeutet noch nicht, dass die Impfung die Ursache der Krankheit ist. In der DDR, wo praktisch alle Kinder sehr gründlich geimpft wurden, gab es vor der Wiedervereinigung wesentlich weniger Allergien als im Westen. Bei Nachlassen der Impfbereitschaft in den neuen Bundesländern steigt auch dort die Zahl allergischer Erkrankungen an.

 

7. Warum können auch Geimpfte erkranken?

Keine einzige Impfung schützt 100 Prozent der Geimpften, ebenso wie kein Medikament bei sämtlichen Patienten wirkt. Der Impferfolg der meisten empfohlenen Schutzimpfungen liegt aber generell bei über 90 Prozent (Masern 95 Prozent, Hepatitis B 90-95 Prozent, Tetanus 95 Prozent).

 

8. Das Durchmachen einer Kinderkrankheit ist ein natürlicher Vorgang, den Kinder für ihre Entwicklung benötigen. Schaden da Impfungen nicht mehr als sie nützen?

Geimpfte Kinder sind nicht weniger gesund als nicht geimpfte. Eine schwere Infektion schwächt den kindlichen Organismus eher als dass sie die Entwicklung fördert. Außerdem ist nicht alles, was natürlich ist, auch gesund. Vor 300 Jahren starb die Hälfte aller Kinder im ersten Lebensjahr und die „natürliche“ Lebenserwartung lag bei 35 Jahren. Um das „natürliche“ Erlebnis einer Krankheit zu haben, gibt es nach wie vor Dutzende von Virusinfekten und andere Gesundheitsstörungen, die Kinder im Laufe ihrer Entwicklung Jahr für Jahr durchmachen. Die Impfungen können ihnen einige der lebensgefährlichen Komplikationen von Infektionskrankheiten ersparen. Und noch etwas: Je mehr Kinder geimpft sind, desto seltener treten diese Krankheiten auf. Das bedeutet: Impfungen schützen nicht nur das eigene Kind, sondern auch Babys, andere Kinder, Schwangere und andere Erwachsene.

 

9. Impfstoffe enthalten Substanzen wie quecksilberhaltiges Thiomersal oder Aluminium. Ist das nicht zu gefährlich?

Die Weltgesundheitsorganisation WHO, das US-amerikanische "Institute of Medicine" und die europäische Arzneimittelbehörde EMEA sind unabhängig voneinander zu dem Schluss gelangt, dass hier keine nachteiligen Folgen zu befürchten sind. Thiomersal dient als Konservierungsmittel, es verhindert die Vermehrung von Bakterien. Eine Untersuchung bei Patienten, die auf Thiomersal allergisch waren, zeigte, dass eine intramuskuläre Impfung mit einem thiomersalhaltigen Impfstoff bei einem Großteil von ihnen gar keine allergischen Reaktionen hervorruft. Heutige Impfstoffe sind überwiegend thiomersalfrei oder enthalten so geringe Mengen, dass dieses Problem nicht mehr bedeutsam ist. Aluminiumhaltige Impfstoffe sind seit mehr als 40 Jahren im Routinegebrauch. Gesundheitsprobleme aufgrund der winzigen Aluminiummengen in den Impfstoffen konnten nicht festgestellt werden.

 

10. Impfstoffe beinhalten auch ein Risiko – warum sollte man das für ein gesundes Kind in Kauf nehmen?

Keine Impfung ist ganz ohne Risiko, aber die Gefahren sind viel geringer als bei einer natürlichen Erkrankung. Nur bei über 100 000 Anwendungen werden nach einer Impfung ernste Folgen (z.B. allergische Reaktionen, unklare Erkrankungen) beobachtet.  So wurden im Jahr 2005 insgesamt etwa 44 Millionen Impfstoffdosen in Deutschland verkauft. Im selben Zeitraum meldeten Ärzte und Pharmahersteller knapp 1.400 vermutete Impfkomplikationen – das entspricht einer Rate von etwa drei Verdachtsfällen pro 100.000 verkaufte Dosen. Wie eine Analyse am Paul-Ehrlich-Institut ergab, lagen bei knapp einem Drittel der gemeldeten Fälle keine Hinweise auf einen möglichen Kausalzusammenhang mit der Impfung vor. Zudem war ein großer Teil der gemeldeten Gesundheitsstörungen – wie z.B.  hohes Fieber – vorübergehender Natur. Lediglich bei fünf Geimpften wurde eine andauernde gesundheitliche Beeinträchtigung gemeldet, die möglicherweise durch die Impfung ausgelöst worden war. Die heute empfohlenen Impfungen wurden bereits bei Millionen von Kindern mit großem Erfolg angewendet und haben sich als sicher erwiesen. Selten können schwerere allergische Reaktionen auf einen Impfstoff auftreten. Bei der Kombinationsimpfung gegen Diphtherie, Wundstarrkrampf, Keuchhusten und Hib ist dies einmal bei über einer Million Impfungen der Fall, bei der Hepatitis B in einem Fall auf 600 000 Impfungen. Bei der Masernimpfung kann es in den seltensten Fällen (einmal auf eine Million) zu einer Hirnentzündung kommen. Diese ist aber 200 bis 400 Mal seltener als nach einer natürlichen Erkrankung an Masern.

 

11. Können Impfungen das Gehirn des Babys schädigen und später zu Autismus, Leseschwäche oder zu einem hyperkinetischen Syndrom führen?

Seit es Impfungen gibt, tauchen immer wieder Vermutungen auf, in denen einzelne Impfstoffe mit gravierenden Nebenwirkungen bis hin zum schweren Hirnschaden in Zusammenhang gebracht werden. Es dauert dann einige Zeit, bis größere Untersuchungen zeigen, dass die Impfung grundlos angeschuldigt wurde. So weiß man heute, dass die frühere Keuchhusten-Impfung weder zum Plötzlichen Kindstod führt, noch Hirnschäden verursacht; dass die Hepatitis B-Impfung nicht die Ursache der Multiplen Sklerose ist; dass die Masern-Impfung keinen Autismus verursacht und das die Mumps-Impfung nicht, wie geargwöhnt, zu Diabetes führt. Die wissenschaftliche Beweisführung wird jedoch von erklärten Impfgegnern häufig negiert und die angeblichen Risiken der Impfungen immer wieder neu aufgewärmt.

 

12. Bergen die Impfungen vielleicht gefährliche Spätfolgen für die Gesundheit, die die Medizin heute noch gar nicht kennt?

Ein ernst zu nehmender Einwand. Potentielle seltene Risiken, kann niemand mit letzter Sicherheit ausschließen, aber dagegen zu halten sind die vorhandenen und bekannten Risiken der Krankheiten, die Impfungen verhüten. Während der Jahrzehnte der Anwendung moderner Impfstoffe gab es keine Hinweise darauf, dass es ungeimpften Menschen besser erging als geimpften. Das gilt sogar für die besonders schlecht verträgliche Pockenimpfung früherer Jahre: Ihr ist zu verdanken, dass die Welt seit 1977 pockenfrei ist. Heute wird kein Kind mehr gegen Pocken geimpft. Es steht fest: Der Schaden, den impfpräventable Krankheiten anrichten können, ist um ein Vielfaches schlimmer als die möglichen Folgen einer Impfung. Doch der größte Feind von Impfungen scheint ihr Erfolg zu sein: Viele Krankheiten und deren Gefahren sind heute nicht mehr bekannt, weil sie dank Impfung so selten geworden sind.

 

13. Ist es nicht so, dass Ärzte und Pharma-Industrie den Menschen nur Angst machen wollen, damit sie mit den Impfungen Geschäfte machen können?

Mit Impfungen wird ein Arzt nicht reich. Sein Honorar für die Impfung eines Babys gegen sechs Krankheiten beträgt häufig wenige Euros, dabei kann die Aufklärung der Eltern über eine Viertelstunde in Anspruch nehmen. Die Impfstoffkosten machen unter den Arzneimittelausgaben weniger als drei Prozent aus. Den Umsätzen der Pharmaindustrie stehen oft beträchtliche Einsparungen gegenüber. Nach Einführung der Impfung gegen Kinderlähmung wurden für jede einzelne Mark, die für die Impfung ausgegeben wurde, 90 Mark an Krankenhaus- und Rehabilitationskosten eingespart. Die heutige Impfung gegen Keuchhusten senkt die direkten Behandlungskosten um mehr als 200 Millionen Euro pro Jahr.

„Dass die Kindheit heute der ungefährlichste Zeitabschnitt des Lebens ist, verdanken unsere Kinder zu einem wesentlichen Teil den Impfungen“, betont Professor Dr. Berthold Koletzko mit großem Nachdruck: „Die Stiftung Kindergesundheit vertritt deshalb mit Überzeugung die Meinung, dass Eltern jede Möglichkeit nutzen sollten, Krankheiten, die auch ihrem Kind drohen können, durch wirksame Impfungen zu verhindern".