Februar 2014

Impfungen: Ist Ihre Familie richtig geschützt?

Die Stiftung Kindergesundheit informiert über die aktuellen Impfempfehlungen für Kinder, Eltern und Großeltern

Bei dem Wort "Impfung" denken viele Menschen nur an Babys, die beim Kinderarzt "gepikst" werden, um sie so vor harmlosen Kinderkrankheiten zu schützen. An dieser Vorstellung ist jedoch so gut wie alles falsch, stellt die Stiftung Kindergesundheit mit Nachdruck fest: Die Krankheiten, gegen die geimpft wird, sind weder harmlos, noch sind sie auf das Kindesalter beschränkt.

 

Ein Beispiel ist die Diphtherie, eine Krankheit, die bei unseren Vorfahren als "Würgeengel der Kinder" gefürchtet war. Noch vor 70 Jahren erkrankten eine Viertelmillion Menschen an Diphtherie, über zwölftausend davon starben. Mittlerweile ist die Krankheit fast völlig aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden, wie viele andere Infektionskrankheiten auch, gegen die es Impfungen gibt. Von einem endgültigen Erfolg der Impfung über die Krankheit kann dennoch nicht die Rede sein, betont die Stiftung Kindergesundheit. Der Erreger der Diphtherie kommt weiterhin in vielen europäischen Ländern vor und selbst in Deutschland registrieren die Behörden einen Anstieg der Diphtherieerkrankungen.

 

 

Von 2001 bis 2008 wurden lediglich vereinzelt Fälle von Diphtherie erfasst. Danach stieg jedoch die Zahl der Meldungen deutlich an: 2012 registrierte das Robert-Koch-Institut die bisher höchste Zahl von neun Erkrankungen. Vier wurden aus Bayern, drei aus Baden-Württemberg und zwei aus Nordrhein-Westfalen gemeldet.

 

"Dabei ist die Immunlage der Bevölkerung nicht einmal schlecht", sagt Professor Dr. Johannes G. Liese, MSc Universitäts-Kinderklinik Würzburg, Pädiatrische Infektiologie und Immunologie. "Die Durchimpfungsrate der Kinder gegen Diphtherie liegt in allen Bundesländern weit über 90 Prozent. Viel zu wenig bekannt ist jedoch die Tatsache, dass der Impfschutz nach einigen Jahren nachlassen kann. Die ‚Kinderkrankheit’ bedroht dann auch die Erwachsenen".
Bei den 28- bis 35-Jährigen kommt es zu einer zunehmenden Abnahme der Antikörper. Für ältere Jahrgänge - etwa vom 55. Lebensjahr an - ist das Risiko noch höher. Für diese Menschen könnte deshalb eine durch Urlauber oder Zuwanderer eingeschleppte Diphtherie gefährlich werden.


Immer öfter Erwachsene betroffen
Beispielhaft dafür erweisen sich auch die neun 2012 gemeldeten Diphtherie-Fälle: Eine 25-jährige Frau hatte sich in Togo infiziert, ein 19-Jähriger hatte sich in Thailand, ein Dreijähriger in Angola angesteckt. Die restlichen Erkrankten - es waren allesamt ältere Männer im Alter zwischen 52 und 80 Jahren - hatten sich in Deutschland infiziert. Die Ständige Impfkommission STIKO beim Robert-Koch-Institut Berlin empfiehlt deshalb seit Jahrzehnten auch im Erwachsenenalter etwa alle zehn Jahre Auffrischimpfungen gegen die Diphtherie.

Dabei muss allerdings ein spezieller Impfstoff für Erwachsene verwendet werden, weil nur Babys und Kleinkinder die hohen Diphtherietoxoid-Mengen vertragen, die in dem im Kindesalter verwendeten DPT-Kombinationsimpfstoff (gegen Diphtherie, Keuchhusten und Tetanus) meist in Kombination mit weiteren Impfungen vorhanden sind. Ab einem Alter von 5 Jahren wird deshalb bei Auffrischimpfungen und zur Grundimmunisierung ein Impfstoff mit reduziertem Diphtherietoxoid-Gehalt verwendet, in der Regel kombiniert mit Tetanustoxoid und reduziertem Keuchhusten(Pertussis)-Antigen. Der Kombinationsimpfstoff für Erwachsene wird dann auch nicht mit den Buchstaben DPT, sondern mit dem Kürzel Tdap bezeichnet. Zwischen 9 und 17 Jahren ist eine weitere Auffrischung nötig. Sie vermittelt schon nach drei bis vier Tagen einen vollen Schutz gegen die Krankheit, so die Stiftung Kindergesundheit. 


Schutz vor 14 ansteckenden Krankheiten
Die Ständige Impfkommission STIKO empfiehlt in ihren jährlich aktualisierten offiziellen Impfempfehlungen, alle Kinder gegen die 13 ansteckenden Krankheiten Diphtherie, Keuchhusten, Wundstarrkrampf (Tetanus), Hib, Kinderlähmung (Poliomyelitis), Hepatitis B, Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps, Röteln und Windpocken zu impfen. Außerdem sollten Mädchen und junge Frauen im Alter von 12 bis 17 Jahren die HPV-Impfung gegen Humane Papillomviren erhalten, die den häufigsten Auslöser für einen Gebärmutterhalskrebs darstellen.

Manche dieser Standardimpfungen schützen nicht nur das einzelne Kind: Mit ihrer Hilfe ist es auch möglich, einzelne Krankheitserreger soweit zurückzudrängen, dass sie eines Tages weltweit ausgerottet werden können. Dazu gehört zum Beispiel die Kinderlähmung, die bereits heute in Nord-/Südamerika und Europa nicht mehr auftritt.

Anfang letzten Jahres hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO noch gehofft, die Polio bis 2018 ausrotten zu können. Während noch 1988 weltweit 350.000 Neuansteckungen registriert wurden, waren es 2013 nur noch 372 Fälle. Es gibt jedoch noch Epidemien in Afghanistan, Pakistan und Nigeria. In letzter Zeit sind außerdem in dem vom Bürgerkrieg gebeutelten Land Syrien mehrere Fälle von Poliomyelitis aufgetreten. Zudem wurden in Israel Polioviren in Abwasserproben nachgewiesen.

 

Da Flüchtlinge aus Syrien auch in Deutschland aufgenommen werden, ist die Einschleppung von Polioerregern nach Deutschland ein ernst zu nehmendes Risiko, warnt die Ständige Impfkommission STIKO. Eltern sollten daher den Impfstatus ihrer Kinder überprüfen und eventuell fehlende Impfungen gegen Poliomyelitis jetzt unbedingt nachholen. Das Beispiel Syrien zeigt auch, dass die Polio bei nachlassenden Impfquoten auch in Ländern wieder auftreten kann, wo sie bereits ausgerottet war. Professor Liese: "Auch die Kinderlähmung bleibt nur dann endgültig und dauerhaft eliminiert, wenn auch weiterhin möglichst viele Kinder geimpft werden".


Keuchhusten im Seniorenheim
Die Grundimmunisierung im Baby- und Kleinkindesalter reicht allerdings oft nicht aus, um Krankheiten sicher und lebenslang zu verhüten: Manche gefährliche Ansteckung lässt sich nur durch wiederholte Auffrischimpfungen im Jugendlichen- und Erwachsenenalter abwehren. So haben auch Masern, Mumps und Keuchhusten die Kinderstuben längst verlassen: Immer häufiger holen sich Erwachsene die früheren Kinderkrankheiten von ungeimpften Kindern oder Erwachsenen.

Ein typisches Beispiel bietet der Keuchhusten. Heute treten nur noch ein Prozent der gemeldeten Erkrankungen im ersten Lebensjahr auf, 75 Prozent der Fälle dagegen werden in der Altersgruppe der über 19-Jährigen beobachtet. Es wurden auch schon kleinere Ausbrüche in Seniorenheimen beschrieben. Jährlich müssen in Deutschland mindestens 1.100 Erwachsene wegen Keuchhusten in einem Krankenhaus behandelt werden!

 

Man weiß mittlerweile, dass weder die Impfung, noch ein einmal durchgemachter Keuchhusten einen andauernden Schutz fürs Leben bietet, betont die Stiftung Kindergesundheit. Das bedeutet: Auch wer als Kind Keuchhusten hatte, kann später nochmals daran erkranken. Das Problematische dabei: Die Infektion verläuft bei Erwachsenen nicht so typisch wie bei Kindern. Statt des charakteristischen Krampfhustens haben sie eher Symptome einer "normalen" Erkältung: v.a. einen langandauernden Husten, zum Teil auch mit Erbrechen, oder schwereren Komplikationen bis hin zu Rippenfrakturen.

Der Keuchhusten eines Erwachsenen kann drei Wochen bis zu acht Monate dauern, ohne dass die Krankheit richtig erkannt wird. "In dieser Zeit stellen aber die erkrankten Erwachsenen - z.B. als junge Eltern, aber auch Opa oder Oma - eine gefährliche Infektionsquelle dar", sagt Professor Johannes G. Liese: "Sie können Babys und noch nicht vollständig geimpfte Kinder anstecken und in Lebensgefahr bringen. Deshalb ist es notwendig, den Impfschutz im Erwachsenenalter aufzufrischen oder gegebenenfalls nachzuholen. Insbesondere wenn ein neugeborenes in der Familie geboren ist oder erwartet wird, sollte der Keuchhusten-Impfschutz unbedingt überprüft werden". 

 
Impfschutz für die Großeltern
Die Ständige Impfkommission STIKO rät allen Menschen über 60 zur jährlichen Grippe-Impfung gegen Influenza. Die Ansteckung mit Grippeviren führt häufig zu Komplikationen, von denen besonders ältere Menschen und Personen mit chronischen Erkrankungen (z.B. Diabetes) betroffen sind. Nach Schätzungen kommt es EU-weit - je nach Schwere der Grippesaison - jährlich zu etwa 40.000 bis 220.000 zusätzlichen grippebedingten Todesfällen.

Auch wenn die Wirksamkeit der Grippe-Impfung gerade bei älteren Menschen nicht optimal ist, so kann sie doch das Risiko von Lungenentzündungen und Herz-Kreislauf-Belastungen deutlich herabsetzen. Die Impfraten sind zwar in den letzten Jahren erfreulich angestiegen, das WHO-Ziel einer Impfquote von 75 Prozent wurde jedoch in dieser Zielgruppe bisher immer verfehlt.


Auch die Impfung aller über 60-Jährigen gegen Pneumokokken gehört zu den wichtigen Empfehlungen der STIKO. Die Gefahr, mit diesen Bakterien angesteckt zu werden, steigt vom 50. Lebensjahr kontinuierlich an. Die Folge sind vor allem Lungenentzündungen. Die Erreger bedrohen vor allem Menschen, die an einer chronischen Bronchitis oder an einer chronischen Herzinsuffizienz leiden, aber auch Zuckerkranke, Patienten mit Lebererkrankungen und die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen.

 

Gefahren drohen älteren Menschen auch von einem  Wundstarrkrampf (Tetanus). Die wenigen Tetanusfälle, die es in Deutschland gibt, betreffen fast ausschließlich Ältere mit unzureichendem Impfschutz, die z.B. bei der Gartenarbeit mit dem Erreger in Kontakt kommen. 


Der Kinderarzt darf auch die Eltern impfen
Mütter und Väter, die ihr Kind von einem Kinder- und Jugendarzt impfen lassen, sollten bei gleicher Gelegenheit auch etwas für ihren eigenen Impfschutz tun, empfiehlt die Stiftung Kindergesundheit. Die Pädiater sind nun einmal die Fachgruppe mit der meisten Erfahrung mit Impfungen. Kinderärzte können den von der STIKO empfohlenen Impfschutz nicht nur bei den Kindern, sondern auch bei den Eltern und Großeltern auf Vollständigkeit überprüfen und die ganze Familie über die Notwendigkeit von Auffrischimpfungen beraten.

 

 

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